Die erste Achtsamkeitskonferenz von AKiJu e.V. am Dienstag, den 5. April 2022, war ein großer Erfolg. Über 300 Pädago:innen besuchten das Online-Event. Für die meisten endete damit das im Januar gestartete AKiJu-Curriculum. Dieses Achtsamkeitstraining speziell für pädagogische Fachkräfte an Schulen und Kitas sollte im Rahmen des Auf!Leben-Programms dabei helfen, nach den anstrengenden Corona-Jahren Stress abzubauen und Resilienz aufzubauen. Die meisten der 700 Teilnehmende an über 50 Schulen im Bundesgebiet hatten keine oder nur wenig Vorerfahrung mit der Achtsamkeitspraxis.
Günter Hudasch, MBSR-Lehrer sowie Gründer und Vorstand von AKiJu e.V., eröffnete die Konferenz. Er berichtete von der überwältigend großen Nachfrage auf das Angebot, Lehrer:innen und Schüler:innen bei der Stressbewältigung zu helfen. Mitglieder des Verbandes hätten deshalb zusätzlich pro bono Kurse gehalten. Da das Programm im Rahmen von Auf!Leben am 15.4. ausläuft, sucht der Verein schon jetzt Wege, diese Initiative fortzusetzen.
Achtsamkeit als Kompetenz, die Zukunft zu bewältigen
Den Auftakt machte eine angeleitete Meditation von Dr. Martina Aßmann, Arbeitsmedizinerin und Vorständin im MBSR-MBCT-Verband. Anschließend sprach Prof. Gert Scobel, Gastgeber eines wöchentlichen Wissenschaftstalks auf 3Sat über die Frage „Macht Achtsamkeit Sinn?“. Dar Autor, Journalist und Philosoph ist davon überzeugt. Er praktiziert selbst schon viele Jahre Achtsamkeit und Meditation. Für ihn sei das eine Lebenspraxis. Beides hat in seinem Alltag einen festen Platz. Seiner Erfahrung nach hilft Achtsamkeit dabei, mehr Gemeinsinn zu entwickeln und damit Konflikte zu entschärfen: „Je entspannter man ist, umso mehr empfindet man andere nicht als Gegner oder Feinde; nimmt sich selbst nicht so ernst und das Ego schwindet.“ Die regelmäßige Praxis stärke Fähigkeiten wie Konzentration, Ausdauer und guten Schlaf. Viele Probleme, vor denen wir heute stehen, ließen sich nicht nur rational lösen, so der Experte. Mit zunehmender Praxis würde sich das Vertrauen entwickeln, dass man die Wirklichkeit tragen kann. Er empfahl den Zuschauer:innen, immer wieder auch in der Gemeinschaft Achtsamkeit zu üben. Die Vernetzung und der Austausch mit Menschen, die auf dem Weg schon ein Stückchen weiter sind, sei eine wertvolle Ressource. Gerade auch in Krisen, wenn man alles in Frage stelle, helfe es, an seiner täglichen Übung festzuhalten. Angesichts der tiefen Umbrüche, die wir gerade erleben, trage Achtsamkeit dazu bei, Vertrauen zu haben und aktiv präsent zu bleiben. „Wenn Kinder das schon lernen von Anfang an. Oder Jugendliche, wenn sie das durch die Pubertät begleitet, dann wird Achtsamkeit zu einer wesentlichen Fähigkeit, um eine Zukunft zu bewältigen, die schwierig ist", so Scobel.
Ein Schlüssel zur Veränderung: Dankbarkeit
Anschließend tauschten sich die Teilnehmenden in sechs verschiedenen Workshops über ihre Erfahrungen mit dem AKiJu-Curriculum aus. In einigen Gruppen stand das Thema Dankbarkeit im Mittelpunkt. Denn die positiven Erfahrungen, die sie sowohl an sich selbst und als auch in der Arbeit mit den Kindern feststellen konnten, überraschten viele Pädagog:innen. Ihr Team habe gemeinsam an dem Programm teilgenommen, berichtete eine Teilnehmerin, und sei zu einer neuen Gemeinschaft gewachsen: „Wir sind gemeinschaftlich für die Kinder verantwortlich, das verstehen wir jetzt besser.“ Ein anderer ergänzte: „Wir begrüßen uns jetzt anders m Lehrerzimmer, lächeln uns an – das hat etwas verändert.“ Der Effekt auf das Stressverhalten sei schnell spürbar geworden, bestätigten viele „Das Leben hat sich für mich verändert“, fand sogar eine Teilnehmerin. Andere betonten, wie gut es war, etwas für sich zu tun und zugleich für die Schule. So änderte eine Lehrerin, die anfangs dachte, sie hätte zu wenig Zeit für die sechs Termine, schnell ihre Meinung und kam zu jedem Treffen: „Das Zeit nehme ich mir jetzt. Das tut so gut.“ Eine Schulleiterin möchte dieses Training ihrem gesamten Kollegium anbieten und sucht nach Finanzierungsmöglichkeiten. Seine Abiturienten haben darum gebeten, etwas früher zu den Klausuren kommen zu dürfen, um gemeinsam die Achtsamkeitsübungen zu machen, weil es so gut tue“, erzählt ein Pädagoge.
Stressreduktion - auch im Gehirn deutlich zu sehen
Die Neurowissenschaftlerin Dr. Britta Hölzel zeigte in ihrem Vortrag, dass sich diese Erfahrungen auch wissenschaftlich belegen lassen. Sie untersucht mit Hilfe der Verbildlichung von Gehirnfunktionen und -struktur im fMRT, welche Auswirkungen Achtsamkeit auf das Gehirn hat. An erster Stelle stehe da Stressreduktion. Außerdem belegen viele Studien, dass Achtsamkeitstraining positiven Einfluss auf die psychische Gesundheit und körperliche Gesundheit hat. Kognitive und soziale Effekte sind in der Forschung noch nicht umfangreich analysiert worden. Aber mit aller Vorsicht ist die Tendenz belegt, dass bestimmte Methoden der Achtsamkeitspraxis nachweisbar positive Effekte auslösen. Auch schon bei Kindern und Jugendlichen ist zu erkennen, dass Achtsamkeitspraxis die Aufmerksamkeitsregulation, die Emotionsregulation, die Körperwahrnehmung, die Verbundenheit und die Bewusstheit verändert.
Vernetzung und Ausblick
Günter Hudasch zeigte sich beeindruckt davon, dass Wissenschaftler:innen so deutlich zeigen könnten, wie Achtsamkeit wirkt. Er dankte allen Teilnehmer:innen für ihre Bereitschaft, sich auf diesen Weg einzulassen und daran weiterzuarbeiten. Er versprach, dass AKiJu e.V. den Wunsch nach Vernetzung aufgreifen wird sowie weitere Angebote zum inhaltlichen Vertiefen schaffen werde. Denn: „Die Kompetenz der Selbstregulation, der Konzentration und des Herzöffnens ist mindestens genauso wichtig, wie das Wissen, das wir vermitteln. AKiJu will dazu beitragen, das zu vermitteln“, sagte Hudasch zum Abschluss.
Die Achtsamkeitskurse für pädagogische Fachkräfte (AKiJu-Curriculum) sind eine Initiative von AKiJu e.V. – Achtsamkeit für Kinder und Jugendliche in Kooperation mit dem MBSR-MBCT Verband und finden im Rahmen von AUF!leben bundesweit statt. AUF!leben – Zukunft ist jetzt. ist ein Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Das Programm gehört zum Aktionsprogramm Aufholen nach Corona der Bundesregierung.